RECHTZEITIG | Juni 2024 | Nr. 2

Deutschland ist mitten in der Urlaubszeit. Steht die Vorfreude auf die wohlverdiente Zeit der Erholung im Fokus, so kommen oftmals leider auch Frust und Ärger ins Spiel. Wir räumen in der zweiten Ausgabe des Kanzlei-Newsletters einmal auf mit 12 Mythen zum Thema Urlaub im Arbeitsrecht.  Weitere spannende Themen befassen sich mit einer spannenden BGH-Stellungnahme zum Werkstattrisiko sowie der Vorsicht gegenüber eines gegnerischen Versicherers.

12 Mythen zum Thema Urlaub im Arbeitsrecht

Wenn es um das Thema Urlaub geht, kursieren zahlreiche Irrtümer, die zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu Konflikten führen können. Ob es um die Probezeit, die Übertragbarkeit oder die Abgeltung des Urlaubs geht, nicht alles was man so hört, stimmt auch.

So nicht richtig! Zwar haben Arbeitnehmer erst nach sechs Monaten im neuen Job Anspruch auf den vollen Jahresurlaub. Der anteilige Urlaubsanspruch entsteht jedoch bereits gemäß § 4 BUrIG monatlich mit einem Zwölftel des Jahresurlaubs.

Bei beispielsweise 24 Tagen Jahresurlaub sind das zwei Tage pro Monat. Wird ein Arbeitnehmer nach drei Monaten gekündigt, hat er einen Teilurlaubsanspruch auf sechs Tage (drei Monate x zwei Urlaubstage). Ist dies nicht möglich, muss der Urlaub in Geld abgegolten werden.

Falsch! Urlaub soll der Erholung und dem Erhalt der Arbeitskraft dienen. Die Abgeltung erfüllt diesen Zweck nicht. Daher ist eine Auszahlung des Urlaubs im BUrlG nicht vorgesehen. Hier gibt es jedoch eine Ausnahme: § 7 Abs. 4 BUrlG. Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten. Dies gilt zum Beispiel, wenn die Arbeitstage bis zur Beendigung nicht ausreichen, um den verbleibenden Resturlaub zu nehmen oder dringende betriebliche Gründe dessen Inanspruchnahme verhindern. Bei der Abgeltung bestimmt § 11 BUrIG, dass das Durchschnittsgehalt, das der Arbeitnehmer in den letzten dreizehn Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat, maßgeblich ist. Der Bruttolohn für die letzten 13 Wochen wird mit der Zahl der Resturlaubstage multipliziert, das Ergebnis durch die Gesamtzahl der Arbeitstage in diesen 13 Wochen geteilt.
Nein! Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf mindestens zwei Wochen (12 Werktage) Urlaub am Stück (§ 7 Abs. 2 S. 2 BUrG). Dort wird von einer 6-Tage-Woche ausgegangen. Bei einer 5-Tage-Woche müssen Arbeitgeber also mindestens zehn Urlaubstage hintereinander gewähren.
Kommt darauf an! Ob der Arbeitnehmer das Kind aus der Schule abholen und sich um weitere Betreuung kümmern darf, ohne den Lohnanspruch trotz der Arbeitsunterbrechung für diese Zeit zu verlieren, entscheidet sich danach, ob die Voraussetzungen des § 616 BGB im Einzelfall vorliegen. Das hierbei erforderliche Näheverhältnis ist bei eigenen oder adoptierten Kindern des Arbeitnehmers ohne weiteres zu bejahen. Hitzefrei in der Schule führt aber nur zur darüber hinaus erforderlichen Unzumutbarkeit der Dienstleistung, wenn die gebotene Betreuung des betroffenen Kindes nicht anderweitig, etwa durch andere Familienangehörige, Ehe- oder Lebenspartner, sichergestellt werden kann. Darüber hinaus wird man bei der Frage, ob das Kind wegen seines Alters noch der Betreuung bedarf, die in § 45 Abs. 1 SGB V aufgestellte Grenze bis zum 12. Lebensjahr heranziehen müssen.

PRAXISTIPP | Hier ist zu beachten, dass der Anspruch auf Freistellung nach § 616 BGB durch entsprechende vertragliche Regelung abdingbar ist.

So nicht richtig! Ob ein Arbeitnehmer schulpflichtige Kinder hat oder nicht, spielt für den Gesetzgeber durchaus in § 7 Abs. 1 BUrlG eine Rolle. Danach dürfen Arbeitgeber, sofern es die betriebliche Situation zulässt, die Urlaubswünsche von Eltern in den Schulferien bevorzugen. Schließlich können diese nur in diesen Zeiten mit ihren Kindern gemeinsam Urlaub machen. Das ist ein „sozialer Gesichtspunkt“, der zum Vorrang führen kann. Einen unmittelbaren Anspruch auf Urlaubsgewährung haben berufstätige Eltern allerdings nicht.
Falsch! Es gibt keinen gesetzlichen Anspruch auf Urlaubsgeld. Allerdings können vertragliche Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu einem Anspruch auf Urlaubsgeld führen. So kann sich ein Anspruch auf Urlaubsgeld aus dem Arbeits-, einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung ergeben. In wenigen Ausnahmen kann ein Anspruch auch aus betrieblicher Übung entstehen.
Kommt darauf an! Ebenso wie bei den „normalen“ Arbeitnehmern hat auch der Minijobber keinen gesetzlichen Anspruch auf Urlaubsgeld. Auch hier können sich Ausnahmen aus dem Arbeits- oder Tarifvertrag sowie einer Betriebsvereinbarung ergeben. Aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes gilt bei den Sonderzahlungen: Zahlt der Arbeitnehmer in seinem Betrieb allen Vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern ein Urlaubsgeld, muss er dieses auch für seine Minijobber tun.Das Urlaubsgeld wird dann anteilig nach der jeweiligen Arbeitszeit des Minijobbers berechnet.

PRAXISTIPP | Das Urlaubsgeld im Minijob wird im Sozialversicherungsrecht als einmalig gezahltes Arbeitsentgelt berücksichtigt. Die Zahlung von Urlaubsgeld kann aus einem Minijob eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung machen.

Kommt darauf an! Ob der Arbeitgeber das Urlaubsgeld bei einer Kündigung zurückverlangen kann, hängt davon ab, aufgrund welcher Vereinbarungen das Urlaubsgeld gezahlt wurde. In vielen Verträgen befinden sich individual- oder kollektivrechtliche Rückforderungsklauseln. Auch der Zeitpunkt der Zahlung kann ein Hinweis darauf sein, ob es sich bei der Zahlung um eine einmalige Sonderzahlung des Arbeitgebers handelt – quasi unabhängig vom Urlaub – oder um Urlaubsgeld, dass abhängig zu den Urlaubstagen gezahlt wird.

Hat der Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch und erfüllt er die Anspruchsvoraussetzungen für das Urlaubsgeld, scheidet eine Rückzahlung aus. So zum Beispiel bei tariflichem Urlaubsgeld, wenn der Arbeitnehmer die sechsmonatige Wartezeit für den Urlaubsanspruch erfüllt hat. Anders sieht es aus, wenn der Arbeitgeber das Urlaubsgeld als freiwillige Leistung ohne einen Entgeltcharakter zahlt. Dann gelten die Grundsätze zur Rückzahlung einer Gratifikation des BAG:

  • Es liegt eine wirksame vertragliche Vereinbarung vor.
  • Bei dem Urlaubsgeld handelt es sich um eine einmalige Sonderzahlung.
  • Die Sonderzahlung wird zu einem bestimmten Stichtag ausgezahlt.
  • Es handelt sich um eine freiwillige Gratifikation für Betriebstreue.

Bedingt falsch! Urlaub ist nach § 7 Abs. 3 BUrlG im laufenden Kalenderjahr zu gewähren und zu nehmen. Erfolgt dies nicht, verfällt der Urlaub mit Ablauf des 31. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres und nicht erst im Folgejahr.

Nach dem BUrlG ist eine Übertragung des Urlaubs in das Folgejahr nur möglich, wenn Gründe in der Person des Arbeitnehmers (z. B. Arbeitsunfähigkeit oder die Erkrankung eines nahen Angehörigen) oder dringende betriebliche Gründe (z.B. termin- oder saisongebundene Aufträge) dies rechtfertigen.

Dann muss der Urlaub bis zum 31. März, also innerhalb der ersten drei Monate des folgenden Jahres genommen werden. Ansonsten verfällt er ersatzlos.

Aber: Nach der BAG-Rechtsprechung gilt für durchgehend arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer anderes. Ihr Urlaubsanspruch verfällt 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres.

Und in der Praxis kommt ein Verfall tatsächlich nur eingeschränkt infrage.

Nach dem EuGH verfallen Urlaubsansprüche nur, wenn der Arbeitgeber zuvor „konkret und in völliger Transparenz“ dafür gesorgt hat, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Das gilt auch für alle Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber muss daher den Arbeitnehmer förmlich auffordern, den Urlaub zu nehmen und ihm „klar und rechtzeitig“ mitteilen, dass und wie viele Urlaubstage für ein konkretes Kalenderjahr (noch) zur Verfügung stehen und der Urlaub ansonsten grundsätzlich am Ende des Kalenderjahres verfällt.

Falsch! Nach § 9 BUrlG werden die Tage, an denen ein Arbeitnehmer im Urlaub arbeitsunfähig erkrankt, nicht als Urlaubstage gezählt und nicht auf den Jahresurlaub angerechnet. Die Arbeitsunfähigkeit muss aber durch ärztliches Zeugnis nachgewiesen werden.

Nach Ende der Arbeitsunfähigkeit können diese Urlaubstage zu einem späteren Zeitpunkt nachgewährt werden. Die Nachgewährung erfolgt nach denselben Grundsätzen wie die Erstgewährung, insbesondere ist § 7 BUrIG zu berücksichtigen. Eine eigenmächtige Verlängerung des Urlaubs durch den Arbeitnehmer ist auch in diesem Fall unzulässig. Sie kann arbeitsvertragliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung nach sich ziehen.

Falsch! Gemäß § 7 BUrIG haben Arbeitnehmer Anspruch auf den bereits bewilligten Urlaub. Eine einmal erteilte Urlaubsgenehmigung kann daher in der Regel nicht einseitig vom Arbeitgeber widerrufen werden.

Ausnahmen bestehen, wenn dringende betriebliche Gründe vorliegen, die eine Änderung des Urlaubsplans erforderlich machen und einen anderen Ausweg nicht zulassen (LAG Köln 27.9.12, 6 Sa 449/12). Dies ist z. B. gegeben, wenn es in dem bereits gewährten Urlaubszeitraum auf die Arbeitskraft gerade dieses Arbeitnehmers ankommt, weil andernfalls der Zusammenbruch beim Arbeitgeber droht und es dem Arbeitgeber unzumutbar wäre, an der Urlaubsgewährung festzuhalten. Es müssen ernsthafte Gefahren bzw. erhebliche Schäden drohen, die nur durch die Mitwirkung des sich im Urlaub befindlichen Arbeitnehmers abgewendet werden können.

Im Normalfall kommt daher ein Rückruf des Arbeitnehmers nicht infrage. Auch eine Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die die Möglichkeit einer nachträglichen einseitigen Änderung des Urlaubs bzw. einen Rückruf des Arbeitnehmers aus dem Urlaub vorsieht, ist wegen Verstoßes gegen die zwingenden Vorgaben nach § 13 BUrlG unwirksam (BAG 20.6.00, 9 AZR 405/99). Eine freiwillige einvernehmliche nachträgliche Änderung des einmal festgelegten Urlaubs ist allerdings möglich (LAG Hamm 11.12.02, 18 Sa 1475/02).

Richtig! Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer seinen Urlaubswunsch eindeutig, unbedingt und hinreichend bestimmt geltend machen. Eine Pflicht des Arbeitgebers, dem Arbeitsnehmer ohne Antrag oder Wunsch Urlaub zu gewähren, besteht nicht (BAG 19.2.19, 9 AZR 541/15).

Der Arbeitgeber kann einem Arbeitnehmer einseitig Urlaub erteilen. Dann aber hat der Arbeitnehmer ein Annahmeverweigerungsrecht. Wird vom Arbeitgeber der Urlaub einseitig, ohne Antrag oder Wunsch des Arbeitnehmers festgelegt, muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber unverzüglich mitteilen, wenn er abweichende Urlaubswünsche hat.

Anderenfalls darf der Arbeitgeber vom Einverständnis mit der zeitlichen Festlegung ausgehen. Dies gilt ohnehin, wenn der vom Arbeitgeber festgelegte Urlaub angetreten wird. Etwas anderes gilt nur, wenn der Arbeitgeber für bestimmte Zeiträume (etwa zwischen Weihnachten und Neujahr) wirksam einseitig Betriebsferien festlegt.

Nur zwei von drei übergebenen Autoschlüsseln können einen Mangel am Gebrauchtwagen begründen!

Ein spannender Fall zum Autokaufrecht lag der Berufungskammer des LG Berlin zur Entscheidung vor.

In erster Instanz vor dem AG Schöneberg forderte der Kläger, der bei dem beklagten Autohändler einen Gebrauchtwagen erwarb, Kostenerstattung für die Umprogrammierung der Schließanlage. Diese doch recht ungewöhnliche Kostennote begründete er dabei wie folgt:

Der Gebrauchtwagen wurde – so auch entsprechend im Kaufvertrag notiert – dem Kläger mit zwei Schlüsseln ausgeliefert. Nachdem er erst später aber noch im Rahmen der gesetzlichen Gewährleistungsfrist bemerkte, dass laut Infotainmentsystem seines Fahrzeugs tatsächlich drei Schlüssel angelernt waren, wandte er sich an den Autohändler, und forderte diesen auf, den dritten Schlüssel herauszugeben. Nachdem der Autohändler die Frist regungslos verstreichen ließ, beauftragte der wegen des vorherigen Diebstahls seines Fahrzeugs sensibilisierte Kläger eine Werkstatt, um die Schließanlage umprogrammieren zu lassen. Die dadurch entstandenen Kosten wollte der Kläger nunmehr ersetzt haben.

Das AG Schöneberg gab der Klage statt und wurde vom LG Berlin in seiner Rechtsauffassung bestätigt. Da keine abweichende Schlüsselanzahl vereinbart wurde musste darauf abgestellten werden, welche Beschaffenheit ein Käufer unter Berücksichtigung der Art der Sache erwarten durfte (sog. „objektive Anforderung“). Zwar wurde im Kaufvertrag festgehalten, dass lediglich zwei Schlüssel übergeben wurden, dies reichte den Richtern vor dem Hintergrund der neuen Regelungen zum Verbrauchsgüterkauf allerdings nicht aus, um eine entsprechende Beschaffenheit wirksam zu vereinbaren.  Eine solche erfordert nach der neuen Gesetzeslage gem. § 476 Abs. 1 Satz 2 BGB vielmehr, dass der Händler vor Vertragsschluss auf eine Abweichung bestimmter Merkmale von den objektiven Anforderungen hinweist und dies im Rahmen einer eigenständigen Regelung mit dem Käufer ausdrücklich vereinbart, was durch die bloße Nennung der übergebenen Schlüssel im Kaufvertrag nicht erfüllt wurde. Gestützt auf die zum Fahrzeug gehörende Betriebsanleitung erkannte das Gericht, dass zu einem Fahrzeug des streitgegenständlichen Typs serienmäßig drei Schlüssel ab Werk herausgegeben wurden.  Folglich, so die Richter, durfte der Kläger auch den Erhalt von drei Schlüssel für sein Fahrzeug erwarten. In der Aushändigung lediglich zweier Schlüssel lag in der Folge eine Abweichung von den objektiven Anforderungen vor und begründete somit einen Mangel.

Auf die wesentlichen Einwändungen des beklagten Autohändlers gegen die Klageforderung kam er laut den Richtern für die Entscheidung nicht an. Soweit er sich darauf berief, dass ein Käufer mit dem üblichen Verschleiß eines Gebrauchtwagens rechnen müsse, gelte dies nicht, so die Urteilsbegründung, für fehlendes Zubehör. Auch den Hinweis des Händlers darauf, dass ihn keine anlassunabhängige Obliegenheit treffe, das Fahrzeug vor dem Verkauf umfassend auf Mängel zu untersuchen, sahen die Richter nicht als tragend an, denn die schuldhafte Pflichtverletzung sahen sie im vorliegenden Fall bereits dadurch verwirklicht, dem begründeten Nacherfüllungsverlangen des Klägers innerhalb der gesetzen Frist nicht nachgekommen zu sein. Auf den Verschuldensvorwurf im Hinblick auf die Lieferung einer nicht mangelfreien Sache kam es folglich nicht mehr an.

Vorsicht vor dem gegnerischen Versicherer: Warum Sie bei einem Verkehrsunfall auf der Hut sein sollten

Immer wieder erleben wir es in unserer täglichen Praxis: Nach einem Verkehrsunfall kontaktiert der gegnerische Versicherer die Geschädigten sehr schnell und versucht, Einfluss auf die Schadenabwicklung zu nehmen. Doch was auf den ersten Blick wie Hilfe und Unterstützung aussieht, entpuppt sich oft als eine Strategie, die darauf abzielt, die eigenen Kosten zu minimieren und die Geschädigten finanziell schlechter zu stellen.

Der gegnerische Versicherer ist nicht Ihr Freund

Es ist wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass der gegnerische Versicherer nicht in Ihrem Interesse handelt. Das primäre Ziel der Versicherungsgesellschaft ist es, die Schadensumme so gering wie möglich zu halten. In diesem Zusammenhang werden immer wieder neue Tricks angewendet, um Geschädigte zu beeinflussen und Kosten zu sparen.

Die Tricks der Versicherer

Einer der gängigsten Tricks ist die schnelle Kontaktaufnahme nach einem Unfall. Hierbei versucht der Versicherer, Informationen zu erhalten und Druck auf den Geschädigten auszuüben. Die Versicherer wissen, dass viele Menschen nach einem Unfall verunsichert sind und nutzen diese Situation aus, um sie davon abzuhalten, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Ein häufiger Ablauf ist folgender:

  1. Schneller Anruf: Der gegnerische Versicherer ruft kurz nach dem Unfall an, bietet Hilfe an und fragt nach Details zum Unfallhergang.
  2. Beeinflussung: Durch freundliche und entgegenkommende Gespräche wird der Geschädigte beeinflusst, keinen Gutachter oder Rechtsanwalt einzuschalten.
  3. Kostenersparnis: Der Versicherer spart dadurch Gutachter- und Anwaltskosten und versucht, die Schadenssumme durch eigene Gutachten und Berechnungen zu minimieren.

Die Folgen für den Geschädigten

Wenn der Geschädigte den Empfehlungen des Versicherers folgt und auf einen eigenen Gutachter und Rechtsanwalt verzichtet, kann dies schwerwiegende finanzielle Konsequenzen haben:

  • Unvollständige Schadensregulierung: Oft werden nicht alle Schadensposten anerkannt oder die Höhe der Entschädigung wird zu niedrig angesetzt.
  • Verlust von Ansprüchen: Ohne professionelle Unterstützung werden wichtige Ansprüche möglicherweise nicht geltend gemacht.
  • Finanzielle Verluste: Am Ende verliert der Geschädigte nicht selten mehrere Tausend Euro, ohne es überhaupt zu bemerken.

Was viele Geschädigte nicht wissen

Ein wichtiger Punkt, den viele Geschädigte nicht wissen, ist, dass sowohl die Sachverständigenkosten als auch die Rechtsanwaltskosten bei einem unverschuldeten Unfall in der Regel sowieso von der gegnerischen Versicherung zu tragen sind. Das bedeutet, dass Sie ohne zusätzliche finanzielle Belastung einen Rechtsanwalt einschalten können, der Ihre Interessen professionell vertritt und sicherstellt, dass Sie alle Ihnen zustehenden Ansprüche geltend machen können.

Was Sie tun sollten

Um sich gegen diese Strategien zu schützen, empfehlen wir Ihnen folgende Schritte:

  1. Keine unüberlegten Aussagen: Geben Sie dem gegnerischen Versicherer keine detaillierten Informationen zum Unfallhergang.
  2. Einschaltung eines Anwalts: Beauftragen Sie sofort einen Rechtsanwalt, der Ihre Interessen vertritt und die Kommunikation mit dem Versicherer übernimmt.
  3. Unabhängiger Gutachter: Lassen Sie den Schaden von einem unabhängigen Gutachter bewerten, um eine objektive Einschätzung zu erhalten.

 

Unsere Kanzlei steht Ihnen jederzeit zur Verfügung, um Ihre Rechte zu wahren und eine faire und vollständige Schadensregulierung zu erreichen. Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren, wenn Sie in einen Verkehrsunfall verwickelt sind.

BGH nimmt erneut Stellung um Werkstattrisiko und der Plausibilitätskontrolle

In Folgendem Artikel möchten wir Sie über eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) informieren, die an die vorherigen Entscheidungen des BGH betreffend das Werkstattrisiko anknüpft und sowohl für die für Geschädigte als auch die Werkstätten von großer Bedeutung ist.

BGH betont Notwendigkeit der Prüfung von Werkstattrechnungen

Der Bundesgerichtshof hat nochmals klargestellt, dass Geschädigte verpflichtet sind, die Rechnungen von Werkstätten auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen. Diese Entscheidung baut auf einer früheren BGH-Rechtsprechung zu den Gutachterkosten auf, die bereits eine ähnliche Kontrollpflicht vorsah. Nun hat der BGH diese Verpflichtung auch auf andere Schadenpositionen erweitert.

Im konkreten Fall betraf dies die Kosten für Desinfektionsmaßnahmen bei einer Fahrzeugreparatur im August 2020. Die Werkstatt hatte hierfür 157,99 Euro brutto berechnet, während der Versicherer lediglich 33,18 Euro erstattet hatte. Der BGH entschied, dass der Geschädigte die überhöhten Kosten hätte erkennen müssen, da während der Pandemie allgemein niedrigere Beträge für ähnliche Maßnahmen berechnet wurden.

Dabei stellte der BGH insgesamt fest, dass Geschädigte verpflichtet sind, die bei Vertragsschluss geforderten oder später berechneten Preise einer Werkstatt auf ihre Plausibilität zu prüfen. Sind die verlangten Preise für den Geschädigten erkennbar überhöht, kann die Beauftragung der Werkstatt als nicht erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB gewertet werden. In solchen Fällen kann sich der Geschädigte nicht auf das sogenannte „Werkstattrisiko“ berufen (BGH, Urteil vom 23.04.2024, Az. VI ZR 348/21).

Das Gericht betonte, dass ein vernünftiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter die überhöhten Kosten für Corona-Schutzmaßnahmen hätte erkennen müssen. Dies sei aufgrund des allgemein verfügbaren Wissens während der Pandemie zumutbar gewesen.

Empfehlungen für die Praxis

Für die Praxis bedeutet dies, dass Versicherer verstärkt Schadenpositionen überprüfen werden. Die Werkstätten daher mit Bedacht vorgehen, was die Höhe der einzelnen Rechnungspositionen betrifft. Je krasser und auffälliger die konkrete Position erscheint, desto wahrscheinlicher ist es, dass der Versicherer es auf ein gerichtliches Verfahren ankommen lässt und der Geschädigte nicht in den Genuss des Werkstattrisikos kommt. Wie auch sonst macht somit die Menge das Gift.

Sollten Sie Fragen zu diesem Thema haben oder Unterstützung bei der Überprüfung Ihrer Werkstattrechnungen benötigen, stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

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