RECHTZEITIG | Oktober 2025 | Nr. 7

Neue Fälle, neue Fragen – und jede Menge Gesprächsstoff aus der Welt des Rechts: Was passiert, wenn der Chef wegen kritischer Äußerungen in einer privaten Chatgruppe die Kündigung ausspricht? Und wie sieht es mit Minusstunden aus – müssen Arbeitnehmer diese wirklich immer nacharbeiten oder wie ist generell damit umzugehen? Auch im Verkehrsrecht bleibt es spannend: Wer auffährt, ist meist schuld – doch was gilt, wenn kurz zuvor bereits ein Unfall passiert ist? Außerdem klären wir, wie es sich mit Großkundenrabatten verhält, wenn ein Unternehmen nicht ausreichend Substanz dafür erbringen kann. Außerdem: Wie kommt eigentlich eine Abfindung von 70.000 Euro zustande?

Diese und weitere Themen lesen Sie in der aktuellen Ausgabe von „Rechtzeitig“

Unzumutbares Arbeitsverhältnis: LAG Köln spricht 70.000 € Abfindung zu

Wenn das Betriebsklima so toxisch wird, dass Gesundheit und Würde dauerhaft beeinträchtigt sind, kann das Arbeitsverhältnis rechtlich unzumutbar werden – und zwar auch ohne Kündigung durch den Arbeitgeber. Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 9. Juli 2025 (Az. 4 SLa 97/25) einer Arbeitnehmerin in einem solchen Fall rund 70.000 Euro Abfindung zugesprochen.

Der Fall in Kürze

  • Die Klägerin war etwa 4,5 Jahre bei ihrem Arbeitgeber beschäftigt; ihr monatliches Bruttoentgelt stieg von ca. 4.500 € auf zuletzt 7.744,75 €.
  • Der Geschäftsführer schickte ihr per WhatsApp sexistische und entwürdigende Nachrichten. Unter anderem: Vorschläge für kurze Kleidung oder High Heels bei Kundenterminen; Aufforderung „nichts unter dem Rock anzuziehen“.
  • Als sie ablehnte, folgten Beleidigungen, Drohungen mit Repressalien (z. B. Entzug von Sachbezügen wie Dienstwagen und Tankkarte, Rückforderung von Geschenken) und schließlich die Kündigung.
  • Die Arbeitnehmerin entwickelte unter dem Verhalten eine posttraumatische Belastungsstörung; sie meldete sich krank.

Entscheidung des LAG Köln

  • Das Gericht stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis für die Klägerin unzumutbar geworden war (§ 9 KSchG), also dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar war.
  • Die Kündigung war rechtswidrig. Aber wegen der Unzumutbarkeit musste das Beschäftigungsverhältnis aufgelöst werden.
  • Abfindung: Gewährt wurden zwei Monatsgehälter pro Beschäftigungsjahr, was in diesem Fall zu etwa 68.153,80 € führte. Dieser Betrag liegt deutlich über dem üblichen halben Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. Gründe für die Abweichung: erhebliche Herabwürdigung, psychische Belastung, sozialwidriges Verhalten seitens des Arbeitgebers.

Wesentliche rechtsrechtliche Leitsätze & Implikationen

  • Unzumutbarkeit ist ein starker Kündigungsgrund – auch wenn die Arbeitnehmerin selbst nicht gekündigt hat: Sie kann das Arbeitsverhältnis durch gerichtliche Entscheidung auflösen lassen, wenn Gesundheit und Würde dauerhaft verletzt sind.
  • Sexuelle Belästigung / Entwürdigung: Aussagen und Verhalten können – selbst unter dem Deckmantel von „familiärem Umgang“ – so schwerwiegend sein, dass sie arbeitsrechtliche Folgen haben.
  • Repressalien als Faktor: Drohungen, Rückforderungen (Dienstwagen, Geschenke etc.) sind nicht nur moralisch bedenklich, sondern können das gesamte Vertragsverhältnis unzumutbar machen.
  • Höhe der Abfindung kann deutlich über dem üblichen Rahmen liegen, wenn zusätzliche Verschlechterungen (psychische Erkrankung, erhebliche Persönlichkeitsrechtsverletzungen) vorliegen.

Bedeutung für Arbeitnehmer

  • Wer sich in einer Lage befindet, in der Arbeitsverhältnis, Verhalten der Führung oder das Betriebsklima stark entwürdigend sind, sollte prüfen, ob eine unzumutbare Situation vorliegt.
  • Dokumentation ist entscheidend: Nachrichten, Aussagen, Verhalten, ggf. medizinische Gutachten oder Atteste.
  • Nicht zögern, rechtliche Schritte zu prüfen – Ansprüche auf Abfindung oder Auflösung durch das Gericht sind möglich.

Bedeutung für Arbeitgeber

  • Führungskräfte sollten sich bewusst sein: Auch vermeintlich „leichter Umgang“ kann ernsthafte rechtliche Konsequenzen haben, besonders bei Aussagen zu Kleidung, Körper, Sexualität etc.
  • Verhalten gegenüber Mitarbeiter muss gerecht, respektvoll und professionell sein – dauerhafte Kränkungen oder Entwürdigungen sind riskant.
  • Abmahnungen oder Hinweise zur Verbesserung des Verhaltens können helfen, bevor die Situation eskaliert.
  • Arbeitgeber sollten Feedback ernst nehmen und auf Beschwerden reagieren, evtl. Mediation, Arbeitspsychologie oder Compliance-Maßnahmen prüfen.

Fazit

Das Urteil des LAG Köln macht klar: Unzumutbarkeit ist kein leerer Begriff – es gibt Grenzen, wie weit ein Arbeitsverhältnis gehen darf. Wenn der Arbeitgeber diese überschreitet, kann er zur Kasse gebeten werden – personell, finanziell und reputationsmäßig.

Übrigens! Wir beurteilen gerne Ihren Fall.

Wenn Sie ein Arbeitsverhältnis haben, in dem Sie sich missachtet fühlen, oder als Arbeitgeber sichergehen wollen, dass Ihre Mitarbeiter respektvoll behandelt werden:

  • Wir prüfen, ob eine unzumutbare Situation in Ihrem Einzelfall vorliegt,
  • beraten zu Strategien der Deeskalation oder Umstrukturierung,
  • und unterstützen bei der Durchsetzung bzw. Abwehr von Ansprüchen.

Alleinhaftung des Auffahrenden bei Zweitunfall

Verkehrsunfälle sind leider Alltag auf deutschen Straßen. Manchmal kommt es dabei zu sogenannten Zweitunfällen – Folgeunfälle, die sich ereignen, nachdem ein erster Unfall bereits geschehen ist. Doch wer trägt die Schuld, wenn jemand auf eine bereits bestehende Unfallstelle auffährt? Das Landgericht (LG) Lübeck hat hierzu in einem aktuellen Fall Stellung bezogen: Wer die offensichtlichen Anzeichen eines Unfalls ignoriert und mit hoher Geschwindigkeit auf die Unfallstelle zufährt, haftet für den Schaden allein.

Die Vorgeschichte

Es war ein gewöhnlicher Tag auf einer deutschen Autobahn, als ein Mercedes-Fahrer plötzlich mit einem Reh kollidierte. Durch den Aufprall verlor sein Fahrzeug mehrere Teile, die auf der linken Fahrspur liegen blieben, zusammen mit dem Kadaver des Rehs. Der Fahrer des Mercedes sicherte die Unfallstelle jedoch nicht ausreichend ab.

Einige Minuten später näherte sich ein Audi-Fahrer mit einer Geschwindigkeit von 130 km/h der Unfallstelle. Auf dem linken Fahrstreifen bemerkte er in etwa 500 Metern Entfernung eine Person, die auf der Fahrbahn ohne Warnweste unterwegs war. Kurz darauf kollidierte der Audi-Fahrer mit Teilen des Rehkadavers, was zu erheblichen Schäden an seinem Fahrzeug führte. Der Audi-Fahrer verlangte nun von der Versicherung der Eigentümerin des Mercedes, dass der entstandene Schaden ersetzt wird. Er argumentierte, dass die Unfallstelle nicht ordnungsgemäß abgesichert gewesen sei.

Die Entscheidung des LG Lübeck: Eigene Verantwortung im Fokus

Das LG Lübeck sah den Fall jedoch anders. Nach Ansicht des Gerichts war der Audi-Fahrer in erster Linie selbst für den Zweitunfall verantwortlich. Obwohl die Unfallstelle nicht optimal abgesichert war, hätte der Audi-Fahrer die Situation besser einschätzen und angemessen darauf reagieren müssen. Das Gericht betonte, dass der Fahrer die Anzeichen des Unfalls – insbesondere die Person auf der Fahrbahn – frühzeitig hätte bemerken und entsprechend handeln müssen.

Das Gericht betont, dass der Audi-Fahrer „sehenden Auges ohne sachlichen Grund“ mit hoher Geschwindigkeit auf die Unfallstelle zufuhr. Obwohl er eine Person auf der Fahrbahn gesehen hatte, die nicht durch eine Warnweste sichtbar gemacht war, verzichtete er darauf, seine Geschwindigkeit ausreichend zu reduzieren und sich bremsbereit zu halten. Diese grobe Missachtung der Sorgfaltspflichten sah das Gericht als Hauptursache des Zweitunfalls an. Der Audi-Fahrer habe somit die nötige Vorsicht außer Acht gelassen, die erforderlich gewesen wäre, um den Schaden zu verhindern.

Was bedeutet dieses Urteil für zukünftige Fälle?

Das Urteil des LG Lübeck (Az. 13 O 123/23) betont die Bedeutung der Eigenverantwortung von Fahrern, insbesondere auf Autobahnen, wo erhöhte Geschwindigkeit und komplexe Verkehrssituationen stets besondere Aufmerksamkeit erfordern. Auch wenn eine Unfallstelle nicht perfekt abgesichert ist, dürfen Autofahrer nicht darauf vertrauen, dass sie ihre Fahrt ungebremst fortsetzen können. Stattdessen müssen sie bei Auffälligkeiten – sei es ein Hindernis oder eine Person auf der Fahrbahn – sofort reagieren, die Geschwindigkeit deutlich reduzieren und bremsbereit sein.

Fazit: Vorsicht auf der Autobahn

Das Urteil des LG Lübeck macht deutlich: Wer die Warnsignale eines Unfalls ignoriert und mit hoher Geschwindigkeit auf eine Unfallstelle zufährt, muss die Konsequenzen selbst tragen. Besonders auf Autobahnen, wo die Geschwindigkeiten hoch und die Reaktionszeiten kurz sind, sollten Fahrer besonders achtsam sein und sich an jede Veränderung des Verkehrsgeschehens sofort anpassen.

Für Versicherer und Geschädigte bedeutet dies eine klare Linie: Eine schlechte Absicherung der Unfallstelle entbindet den Auffahrenden nicht von seiner eigenen Verantwortung. Jeder Verkehrsteilnehmer hat die Pflicht, sein Fahrverhalten den Gegebenheiten anzupassen und mögliche Gefahren zu erkennen. Dieses Urteil zeigt, dass bei Zweitunfällen die Sorgfaltspflicht des Fahrers im Vordergrund steht und Fahrlässigkeit nicht belohnt wird.

Großkundenrabatte – Ein Freibrief für Versicherer?

Großkundenrabatte – ein Begriff, der bei Unternehmen mit großen Fuhrparks oder massiven Bestellvolumina oft zur Verhandlung kommt. Doch was passiert, wenn Versicherer dieses Argument scheinbar ohne wirkliche Substanz ins Feld führen? Das Amtsgericht (AG) Herford hat kürzlich ein wichtiges Urteil hierzu gefällt und einen Versuch eines Versicherers, großzügige Rabatte pauschal zu behaupten, abgewiesen.

Der Fall im Detail

Der konkrete Fall, der das AG Herford beschäftigt hat, drehte sich um einen Geschädigten, der nach einem Unfall auf Schadensersatz klagte. Der Versicherer der Gegenseite brachte ins Spiel, dass der Geschädigte als Großkunde behandelt werden müsste, da er 26 Fahrzeuge besitze. Damit, so der Versicherer, stehe ihm ein 20-prozentiger Großkundenrabatt auf die Reparaturkosten zu.

Doch genau hier schiebt das Gericht einen klaren Riegel vor: Ein Großkundenrabatt kann nicht ohne belastbare Beweise und nachvollziehbare Grundlagen geltend gemacht werden. Allein die Behauptung, dass jemand 26 Fahrzeuge habe, reiche nicht aus, um einen solchen Rabatt zu rechtfertigen. Interessanterweise wies das AG Herford darauf hin, dass von den 26 Fahrzeugen nur fünf von der Marke des unfallbeteiligten Fahrzeugs waren. Dies war ein wesentlicher Punkt für die Entscheidung des Gerichts: Fünf Fahrzeuge einer bestimmten Marke rechtfertigen noch lange keinen Großkundenstatus. Das Gericht folgte damit nicht der Argumentation des Versicherers und entschied zugunsten des Geschädigten.

BGH-Entscheidungen und die Grenzen des Großkundenarguments

In der Vergangenheit hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in einem ähnlich gelagerten Fall einen Großkundenrabatt bei einem der größten deutschen Autovermieter anerkannt. Dort hatte der BGH akzeptiert, dass die schiere Größe des Unternehmens ein ausreichender Hinweis darauf sei, dass entsprechende Rabatte gewährt werden – auch auf Werkstattkosten. Diese Entscheidung stützte sich jedoch auf spezifische Umstände: Die Größe des Unternehmens, der Umfang der Fahrzeuge und das enge Geschäftsverhältnis mit dem Werkstattpartner spielten eine zentrale Rolle.

Wichtig dabei ist, dass dieses Urteil des BGH keineswegs einen Freibrief für die allgemeine Behauptung eines Großkundenrabatts darstellt. Die Entscheidung des AG Herford zeigt eindrucksvoll, dass pauschale Aussagen ohne Belege nicht ausreichend sind. Der konkrete Fall machte klar, dass eine bloße Fahrzeuganzahl nicht ausreicht, um Großkundenrabatte automatisch zu rechtfertigen – es müssen detaillierte Nachweise erbracht werden, die zeigen, dass tatsächlich eine Großkundenbeziehung besteht.

Fazit

Das AG Herford hat mit seinem Urteil vom 30.08.2024 (Az. 12 C 224/24) ein klares Zeichen gesetzt: Großkundenrabatte müssen fundiert nachgewiesen werden, und pauschale Behauptungen ohne substanzielle Grundlage haben keinen Platz im Schadensersatzrecht. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Urteil Versicherer dazu anregt, künftig mit mehr Bedacht vorzugehen und solche Rabatte nur in klar definierten und nachvollziehbaren Fällen geltend zu machen.

Kündigung wegen Äußerungen in einer privaten Chatgruppe? – Neues Urteil des BAG

Private WhatsApp- oder Telegram-Gruppen sind längst Alltag. Doch was passiert, wenn dort beleidigende oder diskriminierende Äußerungen über Kollegen oder Vorgesetzte fallen? Kann das den Job kosten? Mit dieser Frage hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) aktuell befasst.

Der Fall

Ein Arbeitnehmer beteiligte sich in einer WhatsApp-Gruppe mit sieben Mitgliedern – langjährige Freunde und Verwandte – an Diskussionen, in denen auch rassistische, sexistische und beleidigende Nachrichten über Kollegen und Vorgesetzte ausgetauscht wurden.
Der Arbeitgeber erfuhr zufällig von den Inhalten und sprach die fristlose Kündigung aus.

Die Entscheidung des BAG (Urteil vom 24.08.2023, Az. 2 AZR 17/23)

Die Vorinstanzen hielten die Kündigung für unwirksam, weil die Kommunikation vertraulich gewesen sei.
Das BAG stellte nun klar:

  • Eine Vertraulichkeitserwartung bei privaten Chatgruppen ist nicht selbstverständlich.
  • Ob eine Kündigung wirksam ist, hängt insbesondere ab von:
    • Inhalt der Äußerungen (Beleidigung vs. rassistisch/gewaltverherrlichend).
    • Größe und Zusammensetzung der Gruppe (enge Freunde/Familie vs. größere Kollegengruppe).
    • Berechtigte Erwartung, dass Nachrichten nicht weitergegeben werden.

Das Verfahren wurde zurückverwiesen – das Landesarbeitsgericht muss die Umstände im Detail prüfen.

Was bedeutet das für Arbeitnehmer?

  • Private Chats sind nicht automatisch geschützt.
  • Wer in einer Gruppe beleidigende oder diskriminierende Inhalte teilt, riskiert den Arbeitsplatz.
  • Je größer die Gruppe und je schwerer die Inhalte, desto höher das Risiko einer wirksamen Kündigung.

Was bedeutet das für Arbeitgeber?

  • Eine fristlose Kündigung ist möglich, wenn Inhalte besonders schwerwiegend sind und keine berechtigte Vertraulichkeitserwartung bestand.
  • Dennoch gilt: Immer sorgfältig prüfen, ob eine Abmahnung als milderes Mittel ausreichend gewesen wäre.
  • Die Dokumentation, wie der Arbeitgeber von den Nachrichten Kenntnis erlangt hat, ist entscheidend.

Fazit
Das BAG verschärft die Anforderungen: Arbeitnehmer können sich nicht blind auf den „privaten Raum“ einer Chatgruppe verlassen. Gleichzeitig bleibt die Entscheidung eine Einzelfallfrage. Arbeitgeber sollten sorgfältig abwägen, bevor sie zur fristlosen Kündigung greifen – und Arbeitnehmer tun gut daran, auch in privaten Chats Maß und Respekt zu wahren.

„Minusstunden“ – sind sie überhaupt zulässig? Es kommt wie immer darauf an.

Während der Sommerferien ging es in vielen Unternehmen deutlich ruhiger zu als im Rest des Jahres. Wer in dieser Zeit weniger arbeiten kann als vertraglich vorgeschrieben, sammelt leicht Minusstunden.

 

Was sind „Minusstunden“?

Minusstunden, auch Soll-, Minder- oder Unterstunden genannt, entstehen grundsätzlich, wenn ein Arbeitnehmer weniger arbeitet als vertraglich festgelegt ist. Soweit die Theorie.

In der Praxis können Minusstunden jedoch nur angerechnet werden, wenn der Arbeitnehmer selbst für die geringere Arbeitsleistung verantwortlich ist – zum Beispiel durch längere Mittagspausen oder private Termine während der Arbeitszeit. Hinzu kommt, dass viele Unternehmen auf Vertrauensarbeitszeit, soweit gesetzlich zulässig, setzen, statt mit einem Zeitkonto die Stunden erfassen zu lassen.

Mitarbeiter können in der Regel selbst ihre Stunden organisieren und auch ins Minus gehen. Manchmal rutscht das Zeitkonto jedoch ins Minus, ohne dass der Arbeitnehmer dafür verantwortlich ist. So darf der Arbeitgeber weder im Krankheitsfall noch während Urlauben oder an gesetzlichen Feiertagen Minusstunden anrechnen. Nicht ganz so eindeutig ist es beim Thema Fortbildungen: Wird die Weiterbildung vom Arbeitgeber angeordnet, ist er auch verantwortlich dafür, dass in diesem Fall gegebenenfalls Arbeit unerledigt bleibt. Dasselbe gilt auch wenn Bildungsurlaub in Anspruch genommen wird. Wer sich hingegen individuell weiterbildet, kann dazu verpflichtet werden, die „verlorenen“ Stunden nachzuarbeiten.

Vorhersehbare Minusstunden

Wenn im Sommer ein Großteil der Belegschaft fehlt oder Kundenbeziehungen ruhen, werden Arbeitnehmer mitunter früher in den Feierabend geschickt. Wer vom Büro direkt ins Freibad möchte, freut sich. Wiederholen sich die frühen Feierabende, kommt jedoch schnell die Frage auf, wie sich das auf das Stundenkonto und auch auf der Gehaltsabrechnung auswirkt.

Nimmt man das klassische Sommerloch, so sind diese Minusstunden in der Regel durch den Arbeitgeber verursacht. Der Arbeitnehmer bietet schließlich weiterhin seine Arbeitskraft an und erfüllt somit seine vertraglichen Pflichten. In diesem Fall gilt gemäß § 615 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Angeordnete Minusstunden muss der Arbeitgeber voll bezahlen. Sie dürfen nicht zulasten des Arbeitnehmers gehen und auch nicht auf dem Arbeitszeitkonto vermerkt werden. Eine andere Situation ergibt sich, wenn bereits im Arbeitsvertrag Schwankungen festgehalten sind, zum Beispiel wenn der Job an eine Haupt- und eine Nebensaison gekoppelt ist. Dann können in der Nebensaison mehr oder weniger geplant Minusstunden anfallen, die sich in der Hauptsaison wieder ausgleichen.

Umgang mit Minusstunden

Da es keine pauschale gesetzliche Regelung zu Minusstunden gibt, ist entscheidend, was im jeweiligen Arbeits- oder Tarifvertrag steht. Sind dort keine entsprechenden Vorgaben vermerkt, sind Minusstunden streng genommen gar nicht möglich. Wer aber einfach weniger arbeitet als vereinbart, verstößt demnach gegen vertragliche Pflichten und kann eine Abmahnung oder Gehaltskürzung riskieren. Individuell können Arbeitgeber ihren Mitarbeiter aber auch Minusstunden einräumen, zum Beispiel wenn es zu Betreuungsengpässen in der Familie kommt. Diese Zeiten müssen dennoch zu gegebener Zeit nachgearbeitet werden. Auch dürfen Minusstunden nicht rückwirkend mit Urlaubstagen verrechnet werden – weder auf Drängen des Unternehmens noch des Arbeitnehmers.

Kommt es zu einer Kündigung, taucht das Thema Minusstunden häufiger auf, beispielsweise als Mittel, um das letzte Gehalt zu kürzen. Dies ist jedoch nur rechtens, wenn im Vertrag konkrete Vereinbarungen festgehalten sind und der Arbeitnehmer dagegen verstößt. Und auch dabei gilt: Wer seine Aufgaben an einen Nachfolger übergibt und deswegen weniger arbeitet, kann nicht belangt werden. Ein Lohnabzug ist nur zulässig, wenn die Minusstunden vom Arbeitnehmer selbst verursacht wurden.

Gerne beraten wir Sie hinsichtlich etwaiger Regelungen zur Arbeitszeit im Arbeitsvertrag oder auch wenn im Rahmen einer Kündigung die entstandenen oder auch gerade nicht entstandenen Minusstunden im Streit stehen.

Schnellkontakt

Sie brauchen eine schnelle Beratung? Ein offenes Ohr und eine erste Einschätzung Ihres Anliegens? Das Formular ist einer erster Schritt zu mehr Klarheit.

    Ihre Daten werden SSL-verschlüsselt übertragen. Pflichtfelder sind mit einem * gekennzeichnet.

    Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von TrustIndex. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

    Mehr Informationen

    Hier geht's zum Stellenprofil